Innovationskommunikation als Treiber in der Energiewende

Der Aufbruch in ein neues Energiezeitalter ist eingeläutet. Gleichzeitig befindet sich auch unser gewohntes Kommunikationssystem im Wandel. Um beides erfolgreich zu managen, ist ein ganzheitlicher Ansatz gefordert. Wieso Vertrauensaufbau dabei wichtiger denn je ist, welche Rolle soziale Medien spielen und warum die Schlüsselbotschaft “Partizipation” lautet, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Der beginnende Umstieg auf Erneuerbare Energien wird für Jahre von einer intensiven gesellschaftlichen Debatte begleitet werden: Alte Strukturen und Gewissheiten werden abgelöst durch neue Konzepte – und diese wiederum lassen neue Konflikte entstehen. Dabei wird es nicht (nur) um die Fortführung der bekannten Grundsatzdebatten gehen, Stichwort: Kernenergie. Auch neue “grüne” Technologien werden Widerstände erzeugen, wie sie sich bereits bei der Diskussion Windparks vs. Vogelschutz oder Stromtrassen vs. Landschaftsschutz abzeichnen. Ebenso wird der Frontverlauf zwischen alten Platzhirschen und neuen Herausforderern nicht so übersichtlich bleiben, wie es bisweilen suggeriert wird.

Alle großen Energieversorger arbeiten an nachhaltigen Konzepten, beispielsweise für die Speicherung von Energie, und auch die genuin neuen Energieerzeuger kommen um eine Debatte über die richtige Aus- und Umgestaltung der derzeitigen Netzinfrastruktur nicht herum. In dieser Situation entstehen Unsicherheiten, die Veränderungsprozesse lähmen können. Vertrauen seitens der Bürger, der Konsumenten und der Geschäftspartner wird zur Grundbedingung erfolgreichen Wandels.

Um Unsicherheit ab- und Vertrauen aufzubauen, sind zum einen verlässliche regulatorische Rahmenbedingungen nötig. Zum anderen müssen sich auch Unternehmen auf ein neues Kommunikationsszenario und die Notwendigkeit zu nachhaltiger Innovationskommunikation einstellen, wollen sie erfolgreich an den immensen Wachstumschancen dieser neuen Märkte partizipieren. Und schließlich wird auch die “reflexive moderne Gesellschaft” (Ulrich Beck) insgesamt neue Wertemuster ausbilden müssen, wenn entgegen der Logik der industriellen Moderne Weniger das neue Mehr sein soll und Energiesparen verführerischer als Energieverbrauch.

Die Energiewende fällt in eine Zeit, in der sich auch das gewohnte Kommunikationssystem und damit die Erwartung an Kommunikationsangebote grundlegend verändern. Augenfällig wird dies durch die zunehmende Diskursmacht von Internet-Medien wie Social-Media-Plattformen – eine eindimensionale Sender-Empfänger-Kommunikation ist in diesen vernetzten und interaktiven Strukturen zum Scheitern verurteilt. Der These Marshall McLuhans entsprechend scheinen dabei die neuen Medien wiederum die Botschaft selbst zu sein und diese lautet: Partizipation.

Partizipation ist die Botschaft

Technische Großprojekte werden sich ohne hinreichende und frühzeitige Einbeziehung der gesellschaftlichen Anspruchsgruppen (“stakeholders”) nicht mehr effizient realisieren lassen. Kommunikation selbst wird hier zum Innovationstreiber, unterlassene oder verspätete Kommunikation zum Innovationshindernis.

Für erfolgreiche Innovationskommunikation werden die Glaubwürdigkeit der eigenen Position, die adäquate Form der Vermittlung und die Nachhaltigkeit der Dialogbereitschaft entscheidend sein. Für die Industrie bedeutet dies möglicherweise eine Überprüfung der bisherigen und Schaffung einer neuen Haltung zu Dialog und Mitwirkung, sowie in der Folge neue Aufbau- und Ablauforganisationen innerhalb von Unternehmen, nicht nur in Kommunikationsabteilungen. Im Bereich der Open Innovation wird dies in vielen Fällen innerhalb des eigenen Eco-Systems bereits erfolgreich praktiziert: In der Produktentwicklung ist Partizipation als “Customer Integration” oder durch “Lead User”-Konzepte wirksam.

Instrumentell müssen Unternehmen neben den bewährten und auch zukünftig nicht überholten Presseabteilungen weitere Angebote für den Dialog mit der Öffentlichkeit schaffen. Offline bedeutet dies etwa die Planung und Durchführung von Formaten wie Bürgerforen und anderen Formen der Mediation im Vorfeld von Investitionsentscheidungen. Online bedeutet es eine instrumentell zeitgemäße Aufstellung im Internet, also die Teilnahme an Sozialen Netzwerken und Medien. Schließlich bietet sich dadurch angesichts einer erodierenden Medienlandschaft auch die Chance zur Schaffung neuer redaktioneller Eigenformate: vom kleinen Twitter-Kanal über Facebook-Sites bis hin zur Integration und Interaktion (Mash-up) aller neuen Formate in einem Social Media Newsroom.

Allem voran steht das Management vor der Herausforderung, Wege für den Umgang mit diesem relativ neuen, meist anarchisch einziehenden Thema zu finden. Der Bedarf an systematisch reflektierten Strategien und entsprechenden Ordnungsrahmen für Social-Media-Aktivitäten in Organisationen ist größer denn je. Das belegen die Ergebnisse der Studie “Social Media Governance – Wie Unternehmen, Staat und NGOs die Herausforderungen transparenter Kommunikation im Internet steuern”, die Fink & Fuchs PR zusammen mit der Universität Leipzig durchgeführt hat: Zwar setzen bereits 54 Prozent der befragten Organisationen Social Media ein, aber notwendige Grundlagen für ein strategisches Vorgehen im Sinne einer Social Media Governance haben bislang nur 16 Prozent.

Dieser konzeptionelle Stau muss aufgelöst werden, denn die Bereitschaft zu Dialog und Transparenz wird in Zukunft mutmaßlich nicht nur über den Erfolg im Absatzmarkt entscheiden, sondern auch über den auf der Beschaffungsseite. Denn die wichtigste Ressource von Hochtechnologieunternehmen bleiben Mitarbeiter beziehungsweise die zu werbenden neuen Mitarbeiter. In einem demographisch-bedingt immer enger werdenden Fachkräftemarkt werden diejenigen erfolgreich sein, die zusätzlich zu einem attraktiven Angebot und Entwicklungsmöglichkeiten die Sprache und die Erwartungen der Zielgruppen am besten verstehen.

Welches Potenzial alleine Facebook für die Unternehmens- und Personalkommunikation hat, mögen diese Zahlen illustrieren: Alleine in Deutschland hat das Netzwerk derzeit knapp 17 Millionen Mitglieder, die meisten davon sind jünger als 35 Jahre. Die mit Abstand beliebteste Marke im deutschen Facebook ist der FC Bayern München mit etwas über einer Million “Gefällt mir”. Als erfolgreichstes DAX-Unternehmen rangiert das deutsch-englische Angebot der Lufthansa mit 180.000 Fans auf Platz fünf. Klassische Industrieunternehmen finden sich nicht unter den ersten 50. (Quelle: Social Bakers). Angesichts der globalen Reichweite von Facebook in quasi allen jungen Zielgruppen wird dies nicht lange so bleiben. Wer hier im Sinne des “Employer Branding” zum First Mover wird und sich als attraktiver Arbeitgeber positioniert, erringt Wettbewerbsvorteile.

Unternehmen sind gefordert

Gerade innovative Technologien brauchen einen zumindest in Teilen neuen Ansatz und neue Werkzeuge der Kommunikation, um erfolgreich zu sein. Zusätzlich zur bewährten Arbeit von Pressestellen sind daher ein ganzheitliches Kommunikationsmanagement und ausgefeilte Innovationskommunikation gefordert. Zu überprüfen sind der Grad der Vernetzung (zu Partnern, potenziellen Arbeitnehmern, Unterstützern, der Politik, selbst zu Gegnern), die Verständlichkeit der Strategie und der Argumentationen intern wie extern sowie die tatsächliche Dialogfähigkeit und zugrunde liegende Haltung der eigenen Organisation.

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Credits: iStockphoto/Björn Kindler