Web 2.0 – Communities – alle Macht dem Kunden?

Wo finde ich künftig meine Kunden? Sitzen sie allein vor ihrem PC oder suchen sie gezielt Veranstaltungen auf, um das Gefühl der Gemeinschaft zu erleben? Experten wie Zukunftsforscher Matthias Horx sagen, virtuelle Gemeinschaften – so genannte Communities – sind mittlerweile der Ankerpunkt der Kundenkommunikation. Ob Interessengruppen, Spielgemeinschaften, Business-Netzwerke oder Blog-Leserschaften, sie alle haben im Zuge des Web 2.0 rapide an Bedeutung gewonnen. Aber genau genommen hat es solche Communities schon zu Zeiten gegeben, da war von Web 1.0 oder Ähnlichem nicht mal in Ansätzen die Rede. Es war in den 50er Jahren, als die Tupper-Parties in den USA ihren Feldzug zur Eroberung häuslicher Küchenschränke starteten. Das Erfolgsrezept von damals ist nicht wirklich anders als das von heute. Es geht um die Zusammenführung ähnlicher Interessen und Empfehlungsmarketing – damals noch im realen, heute zunehmend im virtuellen Raum.

Communities zeichnen sich durch das gemeinsame Interesse an einem Thema aus. Sie setzen sich aus einzelnen Personen oder Gruppen zusammen, die sich sowohl virtuell als auch physisch treffen. Es findet ein lebendiger Austausch zwischen Teilnehmern, Mitarbeitern oder Interessensgruppen statt. Dabei gibt es unterschiedliche Dimensionen von Gemeinsamkeiten:

  1. Geografisch: Definiert durch einen physischen Ort, wie eine Stadt oder eine Region
  2. Demografisch: Definiert durch Alter, Geschlecht, Rasse oder Nationalität
  3. Sachgebietsbezogen: Gemeinsames Interesse, wie Fanclub, Verein oder Unternehmen
  4. Aktivitätsgebunden: Einkaufen, Spekulieren, Spielen, Musizieren

Dialogplattform zur Kundenbindung

Wer sich in der Unübersichtlichkeit des Internet hervorheben und seine Kunden nachhaltig binden möchte, der bietet ihnen neben der Übersicht zum eigenen Leistungsportfolio auf der Website eine Plattform, auf der Kunden sich mit Gleichgesinnten austauschen können. Mehr denn je gilt das Motto:  Es ist billiger, gewonnene Nutzer zu behalten, als neue zu gewinnen. Dabei gibt es unterschiedliche Ansätze, Communities aufzubauen. Die Bandbreite reicht von Foren über Blogs oder Newsgroups bis hin zu recht sonderbaren Seiten wie dem virtuellen Beichtstuhl oder dem Treffpunkt für Obdachlose.

Ein Beispiel für die Einrichtung von Communites auf einer Unternehmens-Website bietet Adobe Systems. Diese Rubrik ist einerseits zielgruppenspezifisch nach Anwendern (Designer, Entwickler, Lehrkräfte/Dozenten und Partner) gegliedert. Die zweite Gliederung nach Ressourcen orientiert sich stärker an bestimmten Produktbereichen. Hier finden Interessenten und Kunden in den „Adobe Labs“ einen Einblick in neue Produkte und Technologien. Via Foren und Wikis erhalten Sie die Möglichkeit, mit Adobe-Entwicklern über die Weiterentwicklung dieser neuen Technologien zu diskutieren, sie zu testen und Verbesserungsvorschläge zu machen. „Mit diesen Communities bietet Adobe unterschiedliche Plattformen für einen schnellen, und unkomplizierten direkten Austausch unter Mitarbeitern, Kunden, Partnern und Interessenten“, erklärt Stephanie Schmitt, Marketing Director Central Europe bei Adobe Systems. „Gerade die Gemeinschaft der Flash-Programmierer ist es gewohnt, sich im Internet untereinander zu vernetzen, gemeinsam an der Optimierung von Details zu arbeiten und Technologiesprünge als erste zu erleben. Mit den Adobe Labs bieten wir beispielsweise eine Plattform, die eine Vernetzung der Experten aus aller Welt innerhalb und außerhalb von Adobe ermöglicht. In diesem virtuellen Treffpunkt werden neue Ideen diskutiert,  modifiziert, optimiert und wichtige Erkenntnisse für die Weiterentwicklung unserer Lösungen gewonnen. Für uns sind Communities ein wichtiges Instrument zur gezielten Ansprache einzelner Kundensegmente.“

Erfolg ist messbar – das Beispiel Ebay

Doch wie lässt sich der Erfolg von Marketingprogrammen für Online Communities messen? Mit dieser Frage beschäftigte sich auch die Redaktion des Harvard Business Manager und führte gemeinsam mit Managern von Ebay eine über eineinhalb Jahre laufende Feldstudie mit 140.120 teilnehmenden Kunden durch. Das Panel bestand aus aktiven Nutzern, die innerhalb der vergangenen drei Monate etwas verkauft haben, sich aber noch nicht in einer der Ebay-Communities engagierten. Aus dieser Gruppe wurden 79.242 zufällig ausgewählte Kunden eingeladen, ab Mai 2005 an einer der Online-Gemeinschaften teilzunehmen. Die restlichen 60.878 Kunden, die nicht eingeladen waren, dienten als Kontrollgruppe. Binnen drei Monaten wurden 3.299 der eingeladenen Kunden aktive Mitglieder der Community, die Beiträge schrieben, sich an den Diskussionen beteiligten und anderen Mitgliedern halfen. Diese Kunden nennen sich Community-Enthusiasten. Weitere 11.242 Kunden wurden so genannte „Lurker“, also Internet-Teilnehmer, die Beiträge anderer lesen, ohne selbst zu schreiben oder zu kommentieren.

Über 12 Monate hinweg wurde das Verhalten der Enthusiasten und Lurker mit dem der Kontrollgruppen verglichen. Die Ergebnisse waren beeindruckend. Lurker und Enthusiasten boten doppelt so oft in Auktionen mit wie die Mitglieder der Kontrollgruppe, gewannen bis zu 25 Prozent mehr Auktionen, zahlten Preise, die bis zu 24 Prozent höher waren und gaben insgesamt bis zu 54 Prozent mehr Geld aus. Die Enthusiasten versteigerten bis zu viermal mehr Waren bei Ebay und erzielten einen bis zu sechsmal höheren monatlichen Umsatz als die Kontrollnutzer. Die Ergebnisse von Kunden, die bisher nur etwas bei Ebay gekauft, aber noch nie verkauft hatten, waren noch beeindruckender: Verglichen mit den Mitgliedern der Kontrollgruppe, die bisher nur als Käufer agierten, begannen fast zehnmal so viele Nutzer zum ersten Mal etwas zu versteigern, nachdem sie sich einer Community angeschlossen hatten. Die gestiegene Zahl von Käufen und Verkäufen durch Enthusiasten und Lurker erhöhte den Umsatz dieser Gruppe zwischen Mai 2005 und April 2006 um etwa 56 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Das Experiment mit den Kunden-Communities war also extrem lohnenswert für Ebay.

Web 2.0 – Vom E-Commerce zum Me-Commerce

Neuerdings fällt auch das Schlagwort MeCommerce. Denn einer Studie der Unternehmensberatung Anxo Management Consulting zufolge verringert sich nicht nur die Distanz zwischen Kunde und Unternehmen, Kunden werden auch zunehmend selbst zu Verkäufern. Durch den kostengünstigen und benutzerfreundlichen Aufbau von Webseiten können sowohl kleine Händler als auch Nischenprodukte auf den Online-Markt vordringen. Neben einem veränderten Kundenbild ändert sich auch die Rolle der Mitarbeiter. Fortschreitend interaktive Kommunikations- und Arbeitstools binden Angestellte verstärkt in Unternehmens-, Produkt- und Führungskräfteentwicklung ein. In der zweiten Generation des E-Business wird Online-Marketing zur vierten Säule im Marketing- und Media-Mix, so die Studienautoren weiter. Sowohl Kommunikationsprozesse, als auch Marketing-Aktivitäten müssten an die schnellere und oft unkontrollierte Nachrichtenverbreitung angepasst werden.

Schon heute spiele das Internet als strategisches Medium eine zunehmend wichtigere Rolle am deutschen Markt. Ein neuer Trend der Werbebranche in den USA dokumentiert diese Entwicklung. Beim so genannten „Consumer Generated Advertising“ laden Markenhersteller ihre Kunden dazu ein, Anzeigen und Spots selbst zu kreieren – in der Hoffnung auf epidemische Ausbreitung der Resultate per Email und Youtube. So profitierte die Drops-Marke Mentos im vergangenen Jahr von den Experimenten kreativer Blogger, die in Ihren Videos eine spektakuläre Wechselwirkung aus der Mischung von Mentos mit Cola dokumentierten. Und in den Werbepausen des Super Bowl Finales liefen Anfang Februar Amateurspots für die NFL, Doroto-Chips und Chevrolet.

Mit Empfehlungsmarketing ganz nah an der Zielgruppe

Die Einrichtung von Communities bieten Unternehmen – wenn auch begrenzte –  Möglichkeiten, die Macht des Kunden zu kanalisieren und positiv zu nutzen. Und auf der Basis dieser Erkenntnis entwickeln die Marketingexperten ihre Strategien für die Zukunft. Das Zauberwort heißt Word-of-Mouth. Es bedeutet nichts anderes als Mundpropaganda und bezeichnet den privaten Austausch marketingrelevanter Informationen (z.B. Empfehlungen, Kauftipps) von Konsument zu Konsument. Denn worauf hört man bei einer Kaufentscheidung eher, auf die Empfehlungen des Herstellers oder den Rat eines Freundes? Die Unternehmensberatung McKinsey hat festgestellt, dass zwei Drittel der US-Marktwirtschaft von Mundpropaganda beeinflusst werden. Eine Entwicklung, von der die trnd GmbH, der Mundpropaganda-Marketing-Pionier im deutschsprachigen Raum, nachhaltig profitiert.

Trnd, die Abkürzung steht für “the real network dialogue”, bietet Unternehmen die Möglichkeit, das Instrument Mundpropaganda im Marketing-Mix plan- und messbar einzusetzen und damit gezielt private Gespräche von Konsument zu Konsument anzuregen. Dazu wurde ein Mundpropaganda-Netzwerk mit tausenden aktiver Multiplikatoren sowie die Technologieplattform „trndsphere“ zur gezielten Steuerung und Analyse von Mundpropaganda-Kampagnen aufgebaut. Seit Anfang 2005 hat die Agentur unter anderem Projekte für ElectronicScout24, Opel, simyo, smart, Spreadshirt oder Wrigley realisiert. Die Bandbreite der aktuellen Projekte reicht von NIVEA Body Creme über das Musik-Album „Susis Männer“ bis zu Skateslidern, einer Mischung aus Schlittschuhen und Inline-Skates. Die gute alte Tupperware wurde von der trnd-Community bisher übrigens noch nicht geprüft. Aber vielleicht gehört der Tupperabend auch zu einem dieser wenigen Erlebnisse, die sich tatsächlich weder in Blogs, Foren noch im Second Life abbilden lassen.

10 Tipps zum Aufbau von Web 2.0 Communities:

  1. Prüfen, welches Thema für eine breitere Allgemeinheit interessant ist und gleichzeitig vom Wettbewerb differenziert.
  1. Abwägen, wie öffentlich der Zugang zur Community sein soll. Die Bandbreite reicht vom erlauchten Expertengremium bis zu „Jeder kann mitmachen“.
  1. Definieren, welchem Zwecke die Community dienen soll:
    Beispiele: Marketing- und Service-Instrument / Online-Marktforschung / Interessengemeinschaft ohne kommerzielle Zielsetzung / Handelsplatz für Waren oder Dienstleistungen
  1. Vorab überlegen, wie der Informationsaustausch initiiert wird:
    Welchen Content können Sie beisteuern?
    Gibt es eine Mindestanzahl aktiver Teilnehmer (kritische Masse), die ihre Community am Leben hält?
  1. Verhaltensregeln definieren.
  1. Anlässe schaffen, um die Aufmerksamkeit der Community zu erhöhen – von der Umfrage mit Gewinnen als Motivation über Online-Seminare bis zur Möglichkeit, Videos oder Bilder einzustellen
  1. Sichtbar machen, welche Mitglieder gerade auf der Plattform online ist.
  1. Emotionale Komponenten wie eine erweiterte Nutzerdarstellung (Fotos, Profile, Avatare) erhöhen die Bindung an die Community.
  1. Die Community so einrichten, dass die Mitgliedererfahrung erkennbar ist.
  1. Moderation mit Fingerspitzengefühl: Sie sind der Gastgeber. Initiieren Sie den Austausch der Mitglieder untereinander und halten Sie sich mit eigenen Aussagen zurück.

Veröffentlicht von

Michael Grupe

Michael Grupe, Vorstand, Vorstandsmitglied, Kommunikationsagentur Fink & Fuchs Public Relations AG, Wiesbaden, Berlin, München