Der „War Room“ im Krisenmanagement 2.0

twittwoch-e.-V.-922x255Marketing Automation, Online-Kommunikation und Mobile-Strategien waren die großen Themen der Frankfurter “Geschwister-Messen” Email-Expo und M_Days – auf dem dort stattfindenden 11. Twittwoch Rhein-Main spielten jedoch angrenzende Themen die Hauptrolle: Dr. Torsten Schwarz (absolit Consulting), Christian Rapp, Martin Müller (beide Vodafone) und Svea Raßmus (DB Bahn) gaben Einblicke in ihren Social-Media-Alltag.

Viele der Zuhörer waren bereits seit Stunden auf den Messen unterwegs – entsprechend groß war die Herausforderung an die Sprecher, das Interesse und vor allem die Konzentration des Publikums zu gewinnen. Doch das war nicht schwer: Alle drei Vorträge waren kurzweilig, lieferten interessante Anregungen für die eigene Praxis und hielten den ein oder anderen Lacher bereit.

Was uns Ägypten über gute Online-Kommunikation lehrt

Große Verwunderung herrschte zu Beginn: Dr. Torsten Schwarz, besser bekannt als Gründer von absolit und „Email-Marketing-Guru“, sprach über ein Business-Portal in Ägypten. Was hat das denn mit Digital Marketing zu tun? Eine ganze Menge, so Dr. Schwarz: Es sei ein Beispiel dafür, wie man mit geschickten SEO- und SEA-Maßnahmen Traffic auf Webseiten bringt. Er machte deutlich, dass in unterschiedlichen Ländern eben auch ein unterschiedlicher Umgang mit sozialen Medien herrscht – in Ägypten etwa sei es ganz normal, via Facebook zu kondolieren. Deutsche hingegen seien „Facebook-Muffel“. Letzten Endes gab Schwarz noch ein paar Hinweise für zeitgemäßes Digital Marketing:

  • bei Facebook kommen Unternehmen kaum noch um sponsored Posts herum. Andere Postings gehen im Stream der Fans unter, organisches Wachstum ist kaum machbar. Wichtige Dinge sollten also via Facebook-Werbung gepusht werden
  • SEA: Wer mit Google-Kampagnen startet, braucht einen langen Atem. Mindestens zwei Jahre Grundrauschen seien notwendig, um bei Google eine gewisse Relevanz aufzubauen, sodass Anzeigen auch auf wirklich relevanten Webseiten ausgeliefert werden. Kurzfristige Kampagnen hingegen machen aus seiner Sicht wenig Sinn
  • Im B2B-Geschäft sollte der Fokus auf dem persönlichen Kontakt liegen und der „Massen-Kontakt“ via Online-Marketing eher als Ergänzung dienen: “It´s a People´s Business!”

Der Vodafone Datenklau: Aus der Krise lernen

Als nächste Sprecher betraten Christian Rapp, Pressesprecher und Chief Social Media Officer bei Vodafone, und Martin Müller, Trainee Corporate Communications bei Vodafone, die Bühne. Sie berichteten davon, wie Vodafone in Social Media auf den „Super-Gau“ reagierte, als die Daten von 20 Millionen Kunden geklaut wurden. Zwei Wochen mussten reichen, um sich eine Strategie zu überlegen und Vorkehrungen zu treffen – um diese Zeit des Stillschweigens hatte die Ermittlungsbehörde gebeten, bevor die Öffentlichkeit und vor allem die Kunden informiert wurden. Übrigens mit Erfolg: Zum Zeitpunkt der Bekanntgabe war der Täter bereits identifiziert. Als Basis für die integrierte, über alle Kanäle orchestrierte Kommunikation diente eine Pressemeldung sowie das Schreiben, das an alle Kunden verschickt wurde. Daraus abgeleitet konnten die Key Messages für jeden Kanal passend aufbereitet werden. Einen Tag, nachdem die Briefe an die Kunden verschickt wurden, war das Kommunikationsteam super vorbereitet auf den Ansturm, der folgte. Für kurze Wege in der Abstimmung wurde ein „War Room“ eingerichtet, in dem Akteure aus allen betroffenen Abteilungen saßen, samt Chefjurist, um eine einheitliche und offene Kommunikation sicher zu stellen. Seither gibt es bei Vodafone ein Social Media Board, das für die Social-Media-Strategie verantwortlich ist.

Aufbau des Social Media Boards bei Vodafone

Was, wenn DB Bahn eine Lovebrand wäre?

Nach dem interessanten und kurzweiligen Einblick in Krisenkommunikation 2.0 stieg Svea Raßmus, Teamleiterin Social-Media-Management bei der DB Vertrieb GmbH, mit der Frage „Was, wenn DB Bahn eine Lovebrand wäre?“ ein. Für die Deutsche Bahn war das Thema Social Media ein schmerzlicher Lernprozess, der durch die Kampagne „Chef-Ticket“ ins Rollen gebracht wurde. Noch bevor es eine Konzern-Facebookseite gab, wurde die Kampagnen-Facebookseite eingerichtet, die jedoch von Nutzern zweckentfremdet wurde: Sie nutzten die Plattform, um ihrem Unmut über den aus ihrer Sicht mangelnden Service freien Lauf zu lassen.

DB-digital-Marketing
Faktoren, die die Beziehung zwischen der Deutschen Bahn und ihren Kunden kennzeichnet: Hilfe & Service, Erwartungen & Transparenz und Beobachtung.

Erst Stück für Stück bekam das Team die Social-Media-Kommunikation in den Griff, und heute gibt es sogar ein Social-Media-Managementteam, das sich mit der Ausrichtung und Themenplanung beschäftigt. Ein wichtiges Learning für die Verantwortlichen: „Für Kunden der Deutschen Bahn hat Service immer höchste Priorität – wenn dieser nicht stimmt, bringen auch schicke Produkte nichts“, so Raßmus. Solange man das berücksichtigt, mache der Austausch mit Kunden meist richtig Spaß, einzelne Mitarbeiter des Social-Media-Servcie-Teams haben sogar inzwischen eigene Fangruppen. Und es sei immer wieder erstaunlich, auf welche Ideen Kunden so kommen: „Erst kürzlich gab es einen amüsanten Online-Dialog darüber, wie der Spielzeug-Zug für Kinder für “sehr private” Handlungen umfunktioniert werden kann,“ schloss Raßmus augenzwinkernd ihren Vortrag.

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Amüsant: Die Story mit dem Spielzeug-Zug

Somit endete die von Christian Rapp kurzerhand in „Twienstag“ umbenannte Veranstaltung mit spannenden Einblicken in die Praxis und Erkenntnissen eines Online-Marketing-Gurus und zweier Konzerne, die ins kalte Wasser geworfen wurden – und darüber zu einer sehr gut funktionierenden Social-Media-Strategie gefunden haben.

Alle drei vorgestellten Cases hatten einiges gemeinsam:

  • Sie verfolgen einen integrierten Kommunikationsansatz über alle Kanäle
  • Alle drei betreiben Monitoring, was aus unserer Sicht für die optimale Steuerung von Kampagnen essentiell ist
  • Sie haben alle eine nach den Regeln der Social Media Governance sinnvolle Organisation der Social-Media-Kommunikation etabliert
  • Nicht zuletzt sorgt eine ausgereifte Contentstrategie für eine zielgruppengerechte Kommunikation – je nach Ausrichtung informativ, serviceorientiert und/oder unterhaltsam

Einige Tage nach der Veranstaltung noch verfügbar ist übrigens die Storify Zusammenfassung der Tweets, die während der Veranstaltung kursierten und Inhalts-Snippets an die Community weitergaben.