Reinhard Karger Social Bots Influencer Kommunikation

Interview zu Social Bots mit Reinhard Karger, DFKI

Sind Social Bots die Influencer der Zukunft? Über diese und andere Fragen haben wir mit Reinhard Karger, Unternehmenssprecher des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz, diskutiert. Das Interview ist im Rahmen einer Befragung zum Thema Influencer Kommunikation im B2B-Bereich entstanden. Alle Informationen zu der Befragung finden Sie hier.

Herr Karger, Hand auf ’s Herz: Haben Sie sich schon mal von einem Social Bot beeinflussen lassen?

Bestimmt habe ich mich schon von Social Bots beeinflussen lassen! Und wenn man dazu auch automatisiert arbeitende Retweet-Accounts zählt, die Eilmeldungen twittern, dann ganz bestimmt und jeden Tag, aber das ist keine Beeinflussung im Sinne einer Manipulation. Wenn mit Social Bots gefakte humane Accounts gemeint sind, dann werde ich möglicherweise nicht unmittelbar von einem, aber sicherlich mittelbar von vielen Social Bots beeinflusst worden sein. Werden ganze Bot-Armeen aktiviert und gezielt eingesetzt, können Social Bots Hashtags kapern oder Trending Topics kreieren. Selbstverständlich nimmt man nur die absolute Zahl wahr, ohne durch die Liste der Accounts zu browsen, die eine Äußerung mit “Gefällt mir” markiert haben.

Welche Folgen hatte die Beeinflussung durch Bots für Sie?

Weiss ich nicht so genau … das ist ja schließlich die Idee von Beeinflussung, aber wahrscheinlich hätten einige Spontankäufe anders ausgesehen. Meine Wahlentscheidung wurde nicht von Social Bots beeinflusst, sondern eher von Talk Shows.

Manche Experten sagen, Social Bots wären die erfolgreichsten Influencer im Social Media Marketing. Sehen Sie das auch so?

Menschen sind wichtiger als Software. Für Kunden gibt es keine Fernbedienung und Authentizität hat nicht an Wert verloren. Celebrities als Markenbotschafter sind mit glaubwürdigen Testimonials sicherlich einflussreicher als Social Bots. Und: Ich gehe davon aus, dass Product Placement in Film, Funk und Fernsehen – aber natürlich auch auf YouTube – nach wie vor sehr effektiv ist.

Sind wir denn wirklich schon zu blöd, Mensch von Maschine zu unterscheiden?

Natürlich können wir Menschen von Maschinen unterscheiden. Allerdings gilt das eben nur qualitativ und nicht quantitativ. Wenn es um die große Zahl geht, um Mengen in der humane und maschinelle Accounts aggregiert und nur durch Analyse unterscheidbar sind, dann müsste man fleißig sein und die Profile zu den einzelnen Likes und Retweets recherchieren. Das ist in den meisten alltäglichen Situationen zu aufwändig und realitätsfern. Und – Hand aufs Herz – natürlich erhöht eine enorme Anzahl von Likes oder Retweets die “gefühlte” Relevanz eines Posts oder Tweets, natürlich steigert die Menge der Friends und Follower das Renommee.

Warum erfreut sich der Einsatz von Social Bots im Wahlkampf zunehmender Beliebtheit?

Vielleicht weil man so gut darüber reden und so viel darüber schreiben kann, wie der Wähler, in einer dystopischen Maschinenwelt seiner Seele beraubt, in der Wahlkabine ganz mechanisch seine Kreuzchen macht. Aber Wähler sind keine Marionetten – immer noch nicht, obwohl Wahlkampfstrategen oder Parteien das möglicherweise gerne hätten. Nach der Bundestagswahl war das Thema dann plötzlich auch wieder aus der Zeit gefallen.

Wie können wir uns vor der Beeinflussung durch Social Bots schützen?

Aktuell können wir uns vor Manipulation durch Social Bots schützen – wie generell vor Einflüsterung durch Werbung – indem wir unsere Urteilsfähigkeit einsetzen, Informationskompetenz aufbauen und den Recherchemuskel aktivieren. Denken und fragen hilft. Aber eigentlich könnte man auch leicht technische Abhilfe schaffen: Wir kennen Verified Accounts z.B. bei Twitter. Das sind Accounts mit einem blauen Häkchen, das zeigen soll, dass der Account auch tatsächlich der als Absender genannten Person oder Marke entspricht, so dass man davon ausgehen kann, dass eine Veröffentlichung auch belastbar mit der genannten Person bzw. Marke nach Hause geht. Man könnte nun analog auch Acounttypen kennzeichnen – und so “humane” Accounts von “maschinellen” Accounts unterscheidbar machen. Likes, Retweets oder Trending Topics, Friends und Followerkönnten dann eine Kennzahl haben – “Followed by Machines: 67%”, “Retweeted by Humans: 14%” – so könnten die Nutzer die Relevanz schneller einordnen.

Mit welchen Influencern arbeiten Sie eigentlich beim DFKI zusammen?

Mit unseren Gesellschaftern, denen wir unsere Ergebnisse und Perspektiven vorstellen. Mit Verbänden, Medien bzw. mit einzelnen Journalisten und Bloggern, die thematisches Renommee haben, inhaltliches Interesse und fachliche Reputation. Aber das ist keine Zusammenarbeit im klassischen Sinne, sondern ein qualifizierter Dialog. Schließlich sind das alles keine “Influencer”, sondern “Informer”, was man daran erkennen kann, dass die Endredaktion der jeweiligen Ergebnisse, Sendungen oder Artikel nicht mehr in unserer Hand liegt.

Welche Ziele verfolgen Sie mit der Zusammenarbeit?

Wir wollen Neugier erzeugen für unsere Themen, für die Erforschung von Künstlicher Intelligenz, für wissensbasierte Assistenzsysteme. Wollen informieren, wollen, dass unsere Argumente eine sachliche Reichweite haben in einer Zeit, in der Emotionalität, aber eben auch sehr reflexhafte Vorurteile die Debatte bestimmen. Wollen, dass der öffentliche Diskurs intensiver und reflektierter ist.

Jetzt mal unter uns: Welche Rolle spielen Social Bots in der Kommunikation des DFKI?

Keine, weil geht nicht. Wir arbeiten ohne Social Bots, dafür mit echten Speakern auf echten Events, Konferenzen, Messen, bei denen man sich in die Augen sieht und Ideen präsentiert, die Machbarkeit diskutiert und die Wünschbarkeit nicht aus den Augen verliert.

Wo sehen Sie spannende Einsatzszenarien von Social Bots in der Kommunikation?

Bei Katastrophenwarnungen, die in Echtzeit genau die richtigen Betroffenen erreichen sollen. Für bessere Integration und gegen gesellschaftliche Isolation oder Vereinzelung z.B. von Senioren. Bei Verkehrsstörungen bzw. Stausituationen werden sich alle freuen. Bei der Kommunikation mit Fans, die ja eine hohe Bereitschaft für aktuelle Informationen haben und gerne Push-Mitteilungen erhalten wollen. Durchaus auch im Bürgerdialog, damit die Einwohner über lokale Massnahmen direkter informiert und besser einbezogen werden.

Auf welchen Influencer hört Reinhard Karger persönlich – mal abgesehen von seiner Frau und seinem Chef ?

Auf die Familie, auf Freunde und Kollegen, auf Spiegel, FAZ, Zeit und Süddeutsche. Und dann: auf Jan Hofer, Anja Kohl und Claus Kleber. Auf Tim Cook und Jonathan Ive, auf Jensen Huang, Casey Neistat. Und die Liste ist noch viel länger.

Über Reinhard Karger

Reinhard Karger, Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz
Reinhard Karger, Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz

Reinhard Karger (1961), M.A., hat in Wuppertal theoretische Linguistik studiert. 1991 war er Assistent am Lehrstuhl Computerlinguistik der Universität des Saarlandes, bevor er 1993 zum Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, DFKI, in Saarbrücken wechselte, für das er bis heute arbeitet.

Acht Jahre, 1993-2000, war er Projektmanager für das zu dem Zeitpunkt weltgrößte Sprachtechnologieprojekt: „Verbmobil – Multilinguale Verarbeitung von Spontansprache“. Seit 2000 leitet Reinhard Karger die Unternehmenskommunikation des DFKI; 2001 übernahm er zusätzlich die Leitung des dort eingerichteten Deutschen Demonstrationszentrums für Sprachtechnologie. Seit 2011 ist er Unternehmenssprecher des DFKI. Reinhard Karger ist aktiv in der Jury von „Ausgezeichnete Orte im Land der Ideen“, schreibt Artikel und Gastbeiträge für DOKmagazin, DIGITUS, Internet World Business, ZEIT Online oder die FAZ, ist Vorlesepate des bundesweiten Vorlesetags.

Reinhard Karger ist Mitglied des Bundesverbands deutscher Pressesprecher (BdP), war von Mai 2014 bis Juni 2017 Präsident der Deutschen Gesellschaft für Information und Wissen e.V. (DGI) und ist seit Februar 2017 MINT-Botschafter des Saarlandes.

Veröffentlicht von

Michael Grupe

Michael Grupe, Vorstand, Vorstandsmitglied, Kommunikationsagentur Fink & Fuchs Public Relations AG, Wiesbaden, Berlin, München