Tarnkappen-Journalismus für Pressestellentest

Wer das PR Magazin kennt, weiß um die in jeder Ausgabe präsentierten Pressestellen-Tests. Im heute frisch erschienenen Heft 1-2012 (online für Kunden als e-Paper) waren die PR-Verantwortlichen in PR-Agenturen an der Reihe. Auf der einen Seite natürlich eine Überraschung, denn so hat sich das Rätsel um den freien Journalisten “Peter Ingolsen” gelöst, der sich Anfang Dezember bei uns meldete und Fragen zum Image der PR Branche stellte. Zu seiner Person war bei Google & Co. nichts zu finden und sein angeblicher Auftraggeber kannte ihn auch nicht. Auf der anderen Seite halte ich – trotz relativ guter Platzierungen von Kunden und nun auch uns – die Methodik des Tests für fragwürdig. Wie entsteht eigentlich dieses Ranking?

Die Anfrage

Anfang Dezember erreichte uns nachmittags die telefonische Anfrage eines freien Journalisten. An sich ist das nicht ungewöhnlich, denn für die bekannten Kommunikationsmedien sind viele “Freie” unterwegs. Da ich nicht im Haus war, ließ sich meine Kollegin die nachstehenden Fragen des Journalisten zumailen und leitete sie mir dann weiter, sodass ich die Gelegenheit hatte, fundierte Antworten zu liefern. Die Fragen:

  • Für einen Überblick über die Branche benötigen wir folgenden Angaben:  Mitarbeiterzahl Ihrer Agentur, Honorarumsatz 2010, Arbeitsschwerpunkte.
  • Bitte beschreiben Sie in zwei bis drei Sätzen die Aufgaben einer PR-Agentur.
  • In der Berichterstattung fallen im Zusammenhang mit PR oft Begriffe wie “Spindoctor”, “Strippenzieher”, “Imageberater”, “Kommunikationsberater”. Die meisten sind negativ besetzt – was sind aus Ihrer Sicht die Gründe dafür?
  • Wer im Internet zum Thema PR recherchiert, stößt früher oder später auf den Namen Norbert Essing und den “Essing-Skandal”. Wie ist dieser Skandal einzuordnen? Worin unterscheidet sich die Tätigkeit eines Norbert Essing von der Tätigkeit Ihrer PR-Agentur?

Da uns Herr Ingolsen unbekannt ist, haben wir wie gewohnt eine kurze Recherche angestoßen, um herauszufinden, mit wem wir es zu tun haben. Denn aus Erfahrung wissen wir, dass  leider manchmal nicht „Freier Journalist“ drin ist, wo „Freier Journalist“ drauf steht. Nachdem die Google-Suche nach „Peter Ingolsen“ zu 0 Treffern führte und nach einer Rückfrage beim vermeintlichen Auftraggeber „Zeitungsgruppe Thüringen“ auch dort kein Peter Ingolsen bekannt war, wurde ich doch skeptisch.

Antworten oder nicht?

Mein erster Impuls war, überhaupt nicht zu antworten. Vor allem, da die abschließende Frage auf einen äußerst sensiblen Fall abzielte, der meines Wissens nach mit harten juristischen Bandagen ausgefochten wird und zu dem in den Medien auch schon alles gesagt wurde. Dennoch hatte ich parallel – wie immer bei solchen Anfragen – meine Antworten schriftlich formuliert.

Schließlich wollte ich dann doch wissen, was sich dahinter verbirgt und rief den Herrn zurück. Ich konfrontierte Herrn „Ingolsen“ mit meinen Rechercheergebnissen, wies auf die Sensibilität gerade der letzten Frage hin, entschied im Gesprächsverlauf zumindest etwas Basisaufklärung bzgl. „PR und dem Image von PR“ zu betreiben und beantwortete die Fragen eins bis drei. Zu Frage vier verwies ich auf einschlägige Artikel im Netz, auch beim PR-Magazin.

Und schon sind wir gestestet!

Vor diesem Hintergrund und Einblick in die Methodik frage ich mich: Was will uns der Pressestellentest nun sagen? Eigentlich nichts. Vielleicht haben die Kollegen am Ende des Ranking sogar am schlausten reagiert, nämlich nicht. Möglicherweise haben auch sie festgestellt, dass Peter Ingolsen nicht im Web zu finden ist, und vermutet, dass hier jemand mit einem verschleierten “redaktionellen” Auftrag von wem auch immer operiert.

Vor über zwei Jahren hatte ich in einem intensiven Gespräch mit der Redaktion des PR Magazins schon einmal deutlich darauf hingewiesen, dass diese Form der „One-Shot-Wonder-Recherche“ zum Test einer Pressestelle keinen seriösen Kriterien standhält.

Bei mir bleibt die Skepsis. Nicht wegen des Ergebnisses, denn ich bin mit unserer Position im Ranking zufrieden. Sondern aus dem Grunde, dass diese Tests bei Beteiligten in Unternehmen und Agenturen zu Kritik durch Dritte führen kann, die jeglicher faktischen Grundlage entbehrt. Denn welche gewissenhaft arbeitende Pressestelle/ Agentur beantwortet schon einen Fragenkatalog wie den Obigen, wenn der anfragende Journalist nicht im Netz zu finden ist und sein „Auftraggeber“ nichts von einem solchen Auftrag weiß?

Veröffentlicht von

Stephan Fink

Stephan Fink, Member of the Board & CEO of communications agency Fink & Fuchs Public Relations AG, Wiesbaden, Berlin, München