Web 2.0 – Zum Ende der klassischen Public Relations

Wer die Web 2.0 Community beobachtet, wird immer wieder Diskussionen verfolgen können, die die Endzeit der Medien und der “klassischen” Public Relations beschwören.  Man spricht von offener und authentischer Kommunikation, “Wisdom of the crowds” und  nicht selten von der Unfähigkeit und fehlenden Bereitsschaft von Public Relations Professionals sich diesem Wandel zu stellen. Und man fragt nicht zu unrecht, nach dem PR Mitarbeiter 2.0, wie neulich bei Klaus Eck, wo ich nachfolgende Gedanken ebenfalls gepostet habe.

Nun bin ich seit Mitte der 90er an der Nahtstelle zwischen der Web- bzw. heute der Web-2.0-Avantgarde und den PR-Verantwortlichen in Unternehmen als Berater unterwegs und – gerade weil ich mich für die neuen Möglichkeiten der Online Relations und deren Auswirkungen begeistere – möchte der allgemeinen Diskussion einige Punkte hinzufügen:

Die in obigen Diskussionen formulierten Thesen sind teilweise älter als das ClueTrain Manifest und wurden von vielen PR-Akteuren auch schon vor dem Web 2.0 gelebt: mit Persönlichkeit, Authentizität, zielgruppenspezifisch in der Ansprache, Massenmedial oder im Dialog mit großen und kleinen Communities. Das Ganze ist also nicht neu, nur durch das Internet aberwitzig viel facettenreicher und spannender.

Viele Gedanken rund um Web 2.0&Co haben gespiegelt gegen den betrieblichen Alltag (in Unternehmen und Kommunikationsabteilungen) nach wie vor mehr als visionären Charakter.

So sehr ich viele der Anstöße aus der Web 2.0-Community in ihrer Konsequenz und ihrer zunehmenden Bedeutung auch teile, nicht alles davon ist für jeden+überall relevant. Und “klassische” Public Relations wird wird nicht sterben, sondern nur erheblich variantenreicher.

Zudem geschieht in Unternehmen – gerade intern – in dieser Richtung bereits sehr viel mehr, als vielen in der Blogger-/Twitter-Szene bekannt sein mag.

Eine der größten Blockaden bei der Entwicklung neuer, stärker auf Online-PR ausgerichteter Strategien sind die existierenden Organisationsstrukturen. Viele PR-Abteilungen sind mehr oder minder ausschließlich für Medienarbeit zuständig. Obwohl langsam mehr PR-Abteilungen auch NGOs, Verbände, Politik,… betreuen – Etats, Mitarbeiter und Gestaltungshoheit für Online-Aktivitäten oder Dialogkommunikation mit Konsumenten und anderen Marktteilnehmern sind meist an anderer Stelle im Unternehmen verortet.

Dies ändert sich zwar langsam, denn erste Online-Relations-Kollegen ziehen in Public Relations-Abteilungen ein und bauen über Web-basierte Applikationen unabhängig von bestehenden IT-/Web-Angeboten ihre eigenen Web 2.0-Infrastrukturen auf. Dass diese Infrastrukturen manchmal nicht den unternehmerischen und gesetzlichen “Compliance Anforderungen” entsprechen, wird nicht selten vergessen.

Es gibt auch – zumindest bei unseren Kunden – durch alle Unternehmensbereiche ein sehr große Zahl an Mitarbeitern, die zu Firmenthemen bloggen, twittern, kommentieren und mit ihren Communities im offenen Dialog stehen. Die meisten davon wissen auch, was sie tun und was sie lieber lassen sollten. Nur glaube ich, dass es – entgegen der These vieler Web 2.0-Protagonisten – ein sehr große Zahl an Mitarbeitern in Unternehmen gibt, denen die schöne neue Welt der viralen Kommunikation nun auch offen steht und denen für den Umgang damit schlicht die Erfahrung fehlt. Hier müssen Unternehmen sicherlich investieren, weniger in Vorschriften sondern mehr in Medienkompetenz. Wer wegen Mitarbeiter-Beiträgen im Internet schon einmal freundlich von der Börsenaufsicht angesprochen wurde, hat hier eine eindeutige Meinung.

Nicht zuletzt müssen viele der in der Szene propagierten neuen Plattformen und Kommunikationskanäle sich in der Unternehmenswirklichkeit beweisen, und dies geschieht noch immer über Cost-Benefit-Betrachtungen und nicht über Glauben und Versprechen. Und jeder der sich ernsthaft mit Dialog-orientierter Kommunikation beschäftigt, weiß welcher Aufwand damit verbunden ist. Die Antworten auf Fragen nach Benefits hören sich in vielen Fällen leider noch immer ziemlich nebelig an.

Nicht zuletzt deshalb haben sich viele PR-Professionals in Unternehmen und Agenturen in den letzten Jahren auch nur begrenzt mit dem Thema auseinander gesetzt. Besonders überrascht haben mich dabei die vielfach fehlende Neugier und das geringe Interesse, die Tools des Web 2.0 einmal auszuprobieren. Dies ändert sich aber erfreulicherweise gerade. Geändertes Mediennutzungsverhalten, Umbruch der Medienlandschaft, immer einfachere Online-Tools, Digital Natives auf dem Vormarsch in den Berufsalltag ….. sorgen für Veränderungsdruck.

Und der macht nicht beim Umbau von Public Relations-Strategien und taktischem Maßnahmenentscheidungen halt. Es wird mehr oder weniger jeder PR-Mitarbeiter davon betroffen sein, der sich zukünftig mit der multimedialen, Web-tauglichen Aufbereitung von Inhalten, den vielfältigen Plattformen und Kanälen oder den unterschiedlichen Kommunikationsformen (dialog und massenmedial) wird auseinander setzen müssen. Da scheinen viele Medien mit ihren nach dem IFRA “Newsdesk”-Ansatz organisierten Newsrooms zumindest instrumentell schon weiter.

Da jedoch die neuen Fertigkeiten dann auch noch in allen denkbaren Handlungsfeldern der Public Relations wie Corporate, Produkt, CSR, Employer Branding, Finanzkommunikation, ….. zum tragen kommen müssen, sehe ich eine zunehmende Spezialisierung in der Unternehmenskommunikation. Denn die “Eier legende Wollmilchsau” wird es nur begrenzt geben. Und deshalb sehe ich für junge Kollegen bei moderner “Kommunikation 2.0” auch eine große Karrierechance.

Hochschulen wie Darmstadt (Prof. Thomas Pleil) und andere bilden auch schon einschlägig und recht gut in Richtung Web 2.0 aus. Gleiches tun Unternehmen und Agenturen. Letztere wahrscheinlich sogar schneller.

Veröffentlicht von

Stephan Fink

Stephan Fink, Member of the Board & CEO of communications agency Fink & Fuchs Public Relations AG, Wiesbaden, Berlin, München